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WIR* - EINE GRENZERFAHRUNG

Schauspielhaus Graz, 2020/23

AKA:NYX

© Lex Karelly

Beteiligte

Gründer*innen des Netzwerks

Franziska Betz und Nina Gühlstorff im Auftrag des Schauspielhauses Graz

Ausstattung

Kathrin Frosch

WIR*

Zahlreiche Institutionen der Stadt und in der Südsteiermark, über 100 Einzelpersonen, Mehr dazu: Bündnispartner*innen

Wer oder was ist Wir? Eine Festung mit Graben? Ein weites Feld? Eine soziale Praxis? Das Wort ist in aller Munde und ebenso der Wunsch nach Gemeinsamkeit.

Aber jedes Wir erschafft gleichzeitig ein Anderes und fühlt sich oft nur deshalb so wohlig an, weil alles Konfliktpotenzial ausgeschlossen bleibt. Im Schauspielhaus Graz bekommt das WIR ein Sternchen und wird zur Grenzerfahrung eines Wir-Begriffs, der offener und größer werden muss.
Die Projektreihe mit Nina Gühlstorff ging über drei Spielzeiten. Viel ist passiert: Bei einem theatralen Kongress haben Expert*innen aus Kunst und Wissenschaft Workshops zu Öffentlichkeit und Grenzpolitik gehalten. Auf einer grenzenlosen Gala hat das Publikum über Fragen österreichischer Migrationspolitik abgestimmt – und diese Diskussion bei der Webinar-Reihe „Zeit für Debatten“ auch in Zeiten des Lockdowns weitergeführt. Das WIR* hat Bündnispartner*innen gewonnen, Netzwerktreffen für eine offene Stadt organisiert und sogar eine Reise zur österreichisch-slowenischen Grenze veranstaltet. WIR* ist zur Bewegung geworden, zur „Grazwurzelbe- wegung“, und es wird diese Spielzeit weiterwachsen.
Zum Spielzeitauftakt kapern die Bündnispartner*in- nen des WIR* am 10. September 2022 das Schauspiel- haus und veranstalten einen Tag der offenen Stadt. Mit Diskussionen und Inszenierungen, mit Wissen- stransfer, Gesprächen auf Augenhöhe und Begeg- nungen jenseits des Erwarteten. Ein alternativer Geschichtenspeicher entsteht, Denkmäler werden überschrieben, neue Heldinnen inthronisiert und am Ende wird abgestimmt über die wichtigsten Fragen des WIR*, auf Stadt- und auf Landesebene.
Die Impulse dieser Veranstaltung werden über den Verlauf der Spielzeit weitergedacht und fließen in ein dreitägiges Festival im Juni 2023 ein, bei dem die Stadt kurz vor Spielzeitende ein grenzenloses Theater und das Theater zum Stadtparlament wird.
WIR* versteht sich als offene Struktur, in die sich Institutionen und Bürger*innen einschreiben können. Alle Interessierten und Engagierten sind eingeladen, sich auf die Mailingliste setzen zu lassen.

Das Schauspielhaus Graz entwickelt gemeinsam mit Regisseurin Nina Gühlstorff und dem Theaterkollektiv AKA:NYX ein mehrteiliges Projekt über ein brennendes Thema: Grenzen. Zwischen Nation und Globalisierung, Rechtsruck und Arbeitskräftebedarf werden Staatsgrenzen zum Kristallisationspunkt moderner Ängste. Die Leidtragenden darauf reagierender Politik sind die Ausgeschlossenen – eigentlich Schutzbedürftige, die zur Bedrohung umgedeutet werden.
„WIR* – Eine Grenzerfahrung“ kooperiert über die kommenden zwei Spielzeiten in verschiedenen Formaten mit zahlreichen Initiativen und Partner*innen in der Stadt.
Mauern sind ein „angenehmes politisches Trostpflaster für eine ganze Reihe von über die Maßen schwierigen Problemen, für die es keine einfachen kurzfristigen Lösungen gibt“, schreibt die Politikwissenschaftlerin Wendy Brown und behauptet, dass die Konjunktur nationaler Abschottung schlicht Theater sei. Theater, um entschlossenes Handeln zu simulieren. Nehmen wir also an, die Politik spielt Theater, wäre es dann nicht Aufgabe der Kunst Politik zu machen?
Graz ist seit jeher eine Stadt mit ausgeprägter Grenzerfahrung, mit großartigem zivilgesellschaftlichem Engagement und mit durchlässigen Grauzonen, in denen strikt Getrenntes sich vermischen konnte. „WIR* – Eine Grenzerfahrung“ verschreibt sich dieser Praxis und kooperiert über die kommenden zwei Spielzeiten in verschiedenen Formaten mit zahlreichen Initiativen und Partner*innen in der Stadt. Das Projekt schlägt den Bogen von dem von Nina Gühlstorff geleiteten Kurzstück-Spektakel „Grenzgänge“ zu Beginn der Intendanz von Iris Laufenberg 2015 bis zu deren Ende, an dem erneut eine Veranstaltung steht, die wie weit über das Schauspielhaus hinaus in den Stadtraum ausgreifen wird.